Roter Teppich auf der Treppe, pompöses Interiör, langstielige Weingläser. Hallöchen Literaturhaus Wiesbaden! Ich war sehr gespannt auf diese Location, die ich bisher einmal kurz bei einer Austellung besucht habe. Das Umfeld steht der Literatur gut, die hier an diesem Abend eine Bühne bekommt: Terézia Mora ist zu Gast. Dieser Beitrag ist keine Buchbesprechung zu Muna oder die Hälfte des Lebens. In diesem Beitrag geht’s um den gesamten Abend im Literaturhaus. Ein bisschen hinhören und reinfühlen.

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4 Bilder von Terézia Moras Lesung: Mensch macht Bilder mit Handy, Alex macht Notizen, die Autorin bedankt sich, mit 2 Weingläsern wird angestoßen


Die Autorin in der 3. Person

Wer Terézia Mora in einem Gespräch über ihre Literatur erleben darf, wird schnell eine markante Methode identifizieren, mit der sie über ihre Bücher spricht. Die Autorin wird zur 3. Person, die ihre Figuren als die Handelnden nach vorne schiebt. Zur Entstehungsgeschichte zum Beispiel sagt sie: Die Autorin habe so vor sich hingelebt und habe nachgedacht und dann sei eben diese Hauptfigur erschienen.
Ich mag das. Es lenkt den Blick so charmant auf den Inhalt und auf das Handwerk Schreiben. Es bedeutet auch: Terézia Mora macht keine Ego-Show. Und immer wieder entlockt dieses Stilmittel dem Publikum erheiterte Geräusche.

Auch im Buch wird die Protagonistin nicht aktiv beschrieben. Vielmehr erzählen ihr Handeln und nicht Handeln über sie. „Die Autorin hat versucht mit so winzigen Dingen zu arbeiten“, bestätigt Terézia Mora. Diese winzigen Dinge können beim Lesen unbewusst verarbeitet oder in einer Nachlese analysiert werden (looking at you, Lesekreise). Auf jeden Fall entfalten sie eine Wirkung. So viel höre und spüre ich auch an diesem Abend schon in den beiden Lese-Blöcken heraus. „Alles hat eine Bedeutung, es ist schlimm“, scherzt Mora. Ich sitze in der letzten Reihe, kritzele emsig Notizzettel voll, Handy griffbereit zum Filmen – und bin ganz drin.


“Kommst du da lebend raus?”

An diesem Abend im Wiesbadener Literaturhaus spricht Terézia Mora mit der Literaturkritikerin Beate Tröger. Diese spricht frei; besonders am Anfang entsteht eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Die Protagonistin Muna, so erfahren wir, hat kein reales Vorbild und die Kritikerin bestärkt: „So eine Figur muss man literarisch erfinden und keine bekannte Betroffene schildern.“ In Muna Oder die Hälfte des Lebens geht es um die Personen innerhalb einer toxischen und gewalttätigen, hetereosexuellen Zweier-Beziehung. „Du kennst natürlich eine Menge furchtbarer Geschichten aus dem wahren Leben …“, sagt Mora und spricht die drei Pünktchen am Ende hörbar mit. Die Frage in diesen gewalttätige Beziehungen sei: „Kommst du da lebend raus?“ Das Thema sei bei Mora eingeschlagen, als sie einmal in ein einem ausklingendem Jahr den Satz gelesen habe: “Noch 11 Femizide bis Weihnachten”.


„Er ist ein Arschloch was soll denn das?!”

Terézia Mora ist keine Autorin, die es sich leicht macht. Sie geht mittenrein in den Schmerz, in jedweder Hinsicht. Ihre Protagonistin Muna hat keine Kinder. Eine bewusste Entscheidung, um den Personenstamm zu begrenzen, erläutert Mora, und “um die Ausweglosigkeit auch ohne weitere Faktoren zu schreiben”. Magnus, die Täter-Person in der Beziehung, bleibt als Figur im Obskuren, “damit wir kein Verständnis für ihn bekommen können.”

“Wir begleiten Muna, um zu sehen, ob sie das nächste Mal schlauer wird. Sie lernt unglaublich langsam, wie alle meine Hauptfiguren. Ich mag das.”

Terézia Mora

Es gilt, die geschilderte Dynamik beim Lesen auszuhalten, zum Beispiel: Nach jeder Eskalation werde die Bindung enger. Damit gilt es auch, die Protagonistin auszuhalten: „Er ist ein Arschloch was soll denn das?!”, ruft Terézia Mora während des Gesprächs laut in den Lesungsraum. Ich habe einige Rezenzionen auf Instagram gesehen, die an genau diesem Punkt waren und ihn dann bedauerlicher weise zur Grundlage einer negativen Bewertung für das Buch gemacht haben. Man habe sich nicht “in die Hauptfigur hineinfühlen können”. In Muna gibt es keine auserzählte und vorgefertigte Erklärung für eine komplexe Problematik. Keine parteische Sympathie, keine Heldin. Und genau das erzählt doch das Meiste?

3 Bilder von Terézia Moras Lesung: Plakat von ihrer Lesung im Literaturhaus, Treppe mit rotem Teppisch, die Autorin am Lesetisch

Das Publikum. Und wir?

Meine Begleitung und ich (die wir übrigens den Altersdurchschnitt im Publikum deutlich gesenkt haben, obwohl auch wir bereits je eine 4 an der Zehnerstelle mitgebracht haben) haben an diesem Abend einige interessante Beobachten darüber gemacht, wie “die” Publikumsreaktion sich deutlich von unserer Wahrnehmung unterschied. Fünf gestelzte Zeilen um zu sagen: WHUAT?! stand für uns mehr als einmal als Meta-Comment im Raum.

Auch diese WHUAT-Momente gehören in meinen Nachbericht:

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Fazit

Das Literaturhaus Wiesbaden ist absolut einen Besuch wert. Oder mehrere! Natürlich besuche ich Lesungen mit mindestens der gleichen Begeisterung, wenn sie an einem Ort stattfinden, an dem der Boden vom Bier klebt und es keine Literaturkritierin gibt. Aber diese Räumlichkeit entfaltet an diesem Abend eine Wirkung, die ich hier gerne aufnehme. Auch mochte ich die kreative Bestuhlung sehr, von der aus es immer einen guten Blick auf das Podest mit dem Lesetisch gab. Auch dieses (vermutlich mobile) Podest war ideal platziert: ruhig fürs Auge, ein rundum perfekter “Fotospot”. Und Terézia Mora? Die bekommt mit ihrer Literatur von mir ohnehin den roten Teppich ausgerollt. Ganz wie jener, der im Literaturhaus zu Mora und Muna nach oben geführt hat.


Zugabe: Meine Reels zu Terézia Mora

Erster Eintrag in meinem Review Book

Der erste Eintrag in meinem Review Book gebührt der Lesung im Literaturhaus Wiesbaden: Terézia Mora

Einblick in die Lesung und das Literaturhaus

Folgt spätestens Dienstag


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